Gemeinde St. Ignatius schafft einzigartige Bibel

Die Gemeinde am Kirchort St. Ignatius im Westend hat das Neue Testament mit der Hand geschrieben. 250 Menschen haben sich an dem umfangreichen Projekt beteiligt – und etwas Einmaliges geschaffen.

 

Manche der Blätter sind blütenweiß, andere aus Recycling-Papier – und auch eine leuchtend gelbe Seite ist darunter. Geschrieben wurde mit Kuli, Tinte und mit einem orangefarbenen Stift, mal in engen, geübten Buchstaben, mal in der ausladenden, kringeligen Schrift eines Erstklässlers. Manche der Seiten tragen ein hübsch illustriertes Initial in der oberen linken Ecke, andere sind mit bunten Kinderzeichnungen verziert. Und wirklich jeder Beitrag ist einzigartig.

Über ein Jahr lang haben 250 Menschen aus dem Westend und darüber hinaus gemeinsam an einem großen Projekt gearbeitet: Sie haben das Neue Testament mit der Hand geschrieben. Die so entstandene Bibel von St. Ignatius ist ein Gemeinschaftsprojekt, auf das Pater Bernd Günther zurecht stolz ist.

 

Gemeinschaftsgefühl lässt sich nicht digitalisieren

„Am Anfang des ersten Lockdowns haben wir nach einem Weg gesucht, die Gemeinde zusammenzuhalten“, erzählt Günther, der das Projekt maßgeblich betreut hat. Die bald nach dem Ausbruch der Pandemie angebotenen täglichen Abendandachten per YouTube seien zwar sehr gut angenommen worden, doch dem Pater war klar, dass nicht die ganze Gemeinde daran teilnehmen konnte. Und dass Gemeinschaftsgefühl sich nicht in Gänze digitalisieren lässt. Etwas Analoges musste her. Warum nicht Teile des Neuen Testaments abschreiben und gestalten?

Die Idee, die sich zunächst nur an Kinder richten sollte, entwickelte sich schnell zu einer, bei der viele mitmachen wollten. Und die sich bald auf den gesamten Text ausweitete. Dabei war die Koordination der Bibelstellen eine der zeitaufwändigsten Aufgaben. Günther und sein Team teilten sie in 375 Abschnitte, manchmal kapitelweise, manchmal dem Sinn folgend. Die Regeln: Genutzt werden sollten DIN A 4-Blätter, eigentlich weiß, doppelseitig beschrieben und mit 3 Zentimeter Rand, damit sie anschließend gebunden werden können. Dass sich nun auch ein gelbes Blatt darunter geschmuggelt hat, ist zwar eigentlich gegen die Regeln, hat aber durchaus Charme. Ansonsten waren die Schreiberinnen und Schreiber frei in der Gestaltung.

„Im Internet haben wir eine Liste veröffentlicht, welche Stellen noch zu schreiben sind“, so Pater Günther. Wer digital unterwegs war, konnte seine bevorzugten Stellen per Mail anmelden. Außerdem druckte er Bibelkapitel aus und legte sie in die offene Kirche, in die auch während der Lockdowns immer viele Besucher gekommen seien.

Ganz besonders beliebte Bibelstellen konnten Pater Günther und sein Team dabei nicht ausmachen, so gut wie alle Passagen hätten freudige Abnehmer gefunden. „Man hat gespürt, dass das Gemeinschaftsgefühl im Vordergrund stand“, berichtet er. Wohl aber hätten Gemeindemitglieder gezielt nach bestimmten Kapiteln gefragt, die ihnen persönlich viel bedeuteten.  

 

Quer durch alle Generationen

Quer durch alle Generationen haben sich Menschen an dem in Frankfurt einzigartigen Projekt beteiligt. Erstklässler, die gerade erst schreiben lernten, steuerten etwas bei, Familien schrieben zusammen an einem Kapitel, manche waren so begeistert, dass sie gleich mehrere Bibelstellen übernahmen. Sehr aktive Mitglieder der Gemeinde machten genauso mit wie solche, die nur selten in den Gottesdienst kommen.

Je nach Länge des Kapitels und Größe der Handschrift sind manche Beiträge eineinhalb, manche vier Seiten lang. Nachdem die Schriftarbeit abgeschlossen war, wurden Deckblatt und Kapitelstruktur von einem pensionierten Grafiker aus der Gemeinde mit der Hand gestaltet. Anschließend wurde das Einzelstück in einer kleinen Buchbinderei in Nied gebunden.

 

Alles ist handgemacht

„Nichts daran ist mit dem Computer gemacht worden“, berichtet Pater Günther stolz. Er selbst hat natürlich auch mitgemacht und den gesamten Hebräerbrief (13 Kapitel) geschrieben – und durchs Abschreiben einen neuen Zugang dazu gefunden.

Im Pfingstsonntagsgottesdienst ist die handgeschriebene Bibel nun offiziell vorgestellt worden. Nach dem Gottesdienst gab es die Gelegenheit, vorsichtig in dem dicken Buch zu blättern und neben dem eigenen Beitrag auch die Kunstwerke der anderen zu bewundern. Dabei wurde schnell klar: Die besondere Bibel ist ein neues Herzstück der Gemeinde, das zusammenhält, auch in schwierigen Zeiten. Und dass dazu anregt, sich wieder intensiver mit dem Text selbst auseinanderzusetzen. Passend dazu gibt es einige Veranstaltungen rund um die Bibel, die auf www.ignatius.de gefunden werden können.

Aktuell steht das Buch noch mitten im Kirchengang auf einem Tischlein. Doch langfristig soll es einen festen Platz bekommen – zum Beispiel auf einer Stele. Eine Vitrine kommt eher nicht infrage: „Dann kann man es ja nicht mehr in die Hand nehmen und darin blättern“, sagt Pater Günther. Und das ist ausdrücklich erwünscht.

 

Bildnachweis: © A. Zegelman / Bistum Limburg