Die Orgel am Kirchort St. Antonius wurde 1965 von der Firma Späth aus Mengen i. Württ. erbaut. Mit ihren 56 Registern ist sie nach der Domorgel die größte Kirchenorgel Frankfurts. Sie hatte als erste Orgel im Bistum Horizontaltrompeten. In der Festschrift zum Pfarrjubiläum 1992 heißt es: "Wegen ihres prächtigen Klangs, des Baßfundaments und des Farbenreichtums war sie bald weithin bekannt und zog viele fremde Besucher an den Festtagen nach St. Antonius."
Jedwede Orgel,
ob klein oder groß,
sei ein Kunstwerk,
vollendet in sich,
das Kraftvolles und Mildes,
klare Zeichnung und Farbe
in sich vereint;
dem Baume vergleichbar:
tiefwurzelnd und stämmig,
mit Ästen, Zweigen und Blättern,
den Schmuck seiner Blüten
samt deren Duft.
(Verfasser unbekannt)
Nicht nur mancher Baum, auch „gute Orgeln überdauern die Jahrhunderte“: So heißt es bisweilen über die Königin der Instrumente. Orgeln etwa aus der Renaissance- und Barockzeit bestätigen das. Und dies war sicher auch die Erwartung und Hoffnung, als vor 80 Jahren am heutigen Kirchort St. Antonius eine offenbar sehr schöne Orgel eingeweiht wurde: ein 4-manualiges Instrument des renommierten Orgelbauers Klais mit 61 Registern, damals die größte Orgel in Frankfurt. Doch nicht einmal ein Jahrzehnt war dieser Orgel beschieden. In der Pfarrchronik ist zu lesen: „Am 29. Januar 1944 schlug eine Sprengbombe in die Kirche ein. Die Wirkung der Bombe war verheerend; das ganze Gewölbe stürzte ein und zerschlug und begrub alles unter sich: Kanzel, alle Altäre und auch die herrliche Orgel.“
Nach einer Interimslösung konnte die St. Antonius-Pfarrei am 19. Dezember 1965 wiederum das frohe Fest einer Orgelweihe feiern. Zwei Jahre zuvor hatte der Kirchenvorstand entschieden, „nach Beendigung der Renovierung unserer Kirche nun auch eine würdige Orgel als abschließende Krönung des gesamten Wiederaufbaus anzuschaffen.“
Die 4-manualige Orgel wurde als opus 805 erbaut von Orgelbau Gebr. Späth aus Ennetach-Mengen (Württemberg). Die organisch entwickelte Disposition, also die für die beabsichtigten Aufgaben bestmögliche Zusammenstellung der Register hinsichtlich der Klangfunktion und Wechselbeziehung, stammt vom damaligen Kirchenmusiker Richard Giez; in jungen Jahren hatte er mit der Domorgel seiner Heimatstadt Fulda das bedeutendste Werk des Orgelbauers Späth kennengelernt und öfter gespielt. „Der Klang dieses prächtigen Instruments war mir noch im Ohr bei der Planung der neuen Orgel“, so versicherte er einmal dem Verfasser dieser Zeilen. Die Antonius-Orgel, kein Produkt verlegenen Historisierens, ist ganz bewusst ein Instrument seiner Zeit, das dennoch der Orgelmusik vieler Stilepochen Heimat sein kann. Sie wurde „unter Verwendung hochwertiger Materialien und bester handwerklicher Verarbeitung im System der Schleiflade gebaut. Das Werk zeichnet sich aus durch großen Glanz und Kraft, aber auch durch die vielen Möglichkeiten unterschiedlichster Klangkombinationen für alle Stilepochen.“ (Abnahme-Gutachten). Die elektrische Traktur arbeitet auch heute noch einwandfrei und präzise. Als erste Orgel im Bistum hatte sie Horizontaltrompeten. Das Zinn für die Pfeifen kam aus Indien, das Mahagoniholz von der Goldküste Afrikas, das Eichenholz aus dem Spessart.
Die Orgel hat 4318 Pfeifen, 145 davon sind im symmetrischen, schwach konkaven Prospekt sichtbar. Eine Orgel spricht nach vorne durch den Prospekt. Der Orgelbauer fasst deshalb alle Pfeifen in ein Gehäuse aus Holz, das den Klang sammelt, verschmilzt und nach vorne lenkt. Außerdem schwingt es mit und verstärkt, wie der Resonanzboden von Klavier und Cembalo; zudem schützt das Gehäuse vor allzu schneller Verschmutzung und erhöht somit die Lebensdauer des Instrumentes. Ein erster Entwurf hatte ein Kronwerk vorgesehen, das den Prospekt, gleichsam das „Gesicht der Orgel“, schlanker gehalten hätte, jedoch die Westrosette gänzlich verdeckt und eine ausgeglichene Stimmung wegen indifferenter Temperaturverhältnisse erschwert hätte. Trotz des architektonisch bewährten Rückgriffs auf die Grundform einer Barockorgel ist die optische Gestaltung dennoch modern. Das ca. 10 m hohe Instrument gliedert sich in fünf (bzw. sechs) Werke: Das Hauptwerk (mit dem vergoldeten Zimbelstern in der Mittelachse) hat die räumlich höchste Position, von wo es unbeeinträchtigt den Raum beherrscht. Einen Akzent setzen die nach spanisch-portugiesischer Art waagerecht angeordneten Trompetenpfeifen: Als Komplementärkontrast transponieren sie die Silhouette der vertikalen Pfeifen ins Horizontale, wodurch der ansonsten mehr flächig angelegte Prospekt in die dritte Dimension vorstößt. Darunter das Schwellwerk, flankiert vom Positiv (geteilt in ein kleines Hauptwerk und ein weiteres Schwellwerk). Zwei ernsten Wächtern gleich, begrenzen die hohen Außentürme des Pedals die Manualwerke. Im Abfall der Pfeifenlängen von außen nach innen (Bassharfenfelder) spiegelt sich die musikalisch-akustische Ordnung der aufsteigenden Tonskala, verteilt auf C- und Cis-Seite. Das über die Emporenbrüstung auskragende Rückpositiv ist so weit wie möglich nach vorne platziert und bildet den Abschluss zum Hauptschiff hin; durch die Nähe zum Innenraum hat es eine bevorzugte Klangwirkung.
Ohne auf alle 56 Register einzeln einzugehen, seien doch einige in den jeweiligen Registerfamilien konzis beschrieben:
Der Großprinzipal 16', klanglich von dunkler und sonorer Fülle, steigt, unterstützt von Quinte 10 2/3, in wirklich schwarze Tiefen hinab. Seine Pfeifen stehen komplett im Prospekt („Praestant“); aus geflammtem Kupfer die tontiefen Pfeifen, die zinnernen vor dem Positiv. Der Prinzipalchor, bis hinauf zu den sich mehrfach überlagernden Klangkronen, gibt dem Instrument sein rückgrathaftes Gefüge: in der 4'-Lage vom weiten bis zum engen Prinzipal; raumfüllend, etwas schneidend und kalt leuchtend der harte Glanz der 6-8fachen Mixtur im Hauptwerk; unaufdringlich und milder das Scharff im Positiv: es bündelt in sauberer Zeichnung das schlanke Vorplenum (auch Echoplenum); aufleuchtend die 6fache Fourniture, die dem Schwellwerk ausreichend Glanz gibt; von erfrischend heiterer Klangaussage das färbende Doppelgespann Zimbel und Glockenterz im Rückpositiv (besonders bei geöffneten Gehäuseklappen).
Weich und stiller, in milderen Pastellfarben, nimmt sich die Labialvarietät des Flötenchores aus: zurückhaltend das Metallgedackt, glasig spröde die Quintade, Gedacktpommer 16' als unterbauender Klang (auch ein dunkelndes Gegengewicht gegen zu helle Mixturen, ohne die Klarheit zu gefährden), verschmelzungsfreudig die Blockflöte 4', leicht verschleiert die Flûte octaviante 4', die sehr weite Koppelflöte 4', gelöst die Flachflöte 2', das Piccolo 1' als „silberfeine, köstliche Perlstimme“ (S.Karg-Ehlert). Die Obertonreihen sind über alle Werke verteilt, teils als Einzelreihen, teils (hoch-)gebündelt (Glockenterz, Nonenkornett, Sesquialter und Rauschwerk – letzteres, quasi „synthetisch“, einer diskreten Zunge ähnelnd). Das Klangspektrum unserer Orgel erhält durch das 6fache Nonen-Septkornett eine herbe Note von fast rauher Stärke (incl. ungerader Obertöne harmonikal gequantelt). Dieses Register weist in jedem Chor eine andere Pfeifenbauart auf und vermag, wenn nicht solistisch genutzt, bei voller Orgel den physikalisch bedingten Lautstärkeabfall der Zungen im Diskant auszugleichen.
Nur ein (oder besser: immerhin ein) Streicherregister hat die Orgel: Voix celeste als entrückter Sphärenhauch, mit feinem Strich. 1965, im Geschmackskanon neobarocker Dürre, galten solche Register – vermeintlich halbseidenes Relikt der Romantik – als nachgerade dekadent. Erfreulich unpuristisch, dass der Disponent auf diese zarte Klangfarbe nicht verzichtete.
Die deutlich schattierenden Zungenstimmen wurden von Carl Giesecke & Söhne (Göttingen) gefertigt: Kernig schmettert die Spanische Trompete in den weiten Kirchenraum hinein; kultiviert das dunkelfärbende Fagott 16‘, geschmeidig die Schalmey-Oboe, schnarrend-altertümlich die kurzbechrige Vox humana; die 8'- und 4'-Trompeten des Schwellwerks sind nach französischer Bauart mit Doppelkehlen gefertigt (in den Mensuren von Andreas Silbermann im Straßburger Münster). Im Pedalwerk ergeben die „schweren“ Zungen Kontrafagott 32' , Bombarde 16' und Baßtrompete einen vollen, markigen Ton und sorgen für gravitätische Sättigung in der Tiefe. Überhaupt ist das Pedalwerk mit seinen 16 Stimmen großzügig disponiert und versteht sich dabei nicht nur als „finsterer Bassvertreter“: Es ermöglicht in solistischer Verwendung ein erstaunlich variables Cantus-firmus-Spiel, das auch dem Sopran, Alt und Tenor dienstbar ist.
Der Zimbelstern, eine gern wiederaufgenommene Bereicherung aus der Barockzeit, hat zwölf dissonant zusammengesetzte Messingglöckchen über g3. Er symbolisiert den Stern über Bethlehem, und in der Weihnachtszeit legt sich sein silbrig-heller Klang wie glitzerndes Lametta über die Orgeltöne.
War ursprünglich ein Spielschrank am grünlasierten Hauptgehäuse vorgesehen, entschied man sich dann doch für einen seitlich freistehenden Spieltisch (außen Eiche, innen Nussbaum). Im Ganzen hat der Spieltisch (Eisenschmid, München) 360 Einzelschaltwippen, die über 10 Hand- und 15 Fußsammelschalter abgerufen werden können. (Heutzutage würde eine Setzeranlage den Spieltisch kompakter halten.)
Wie kein anderes Instrument zeigt die Orgel mit ihrer großen Abstrahlungsfläche, dass Klang an räumliche Verhältnisse gebunden ist. Die Akustik – als integraler Bestandteil der Musik – mildert manche Schwächen des Instruments (Mensurierung!). Der hohe neugotische Kirchenraum mit seiner Kassettendecke aus Lärchenholz gewährt eine gelöste Klangentfaltung, und der Hörer ist erfreut, wenn günstige Nachhallwerte den Ton der Orgel veredeln, weil Wände und Decke den Orgelton von überall her ins Ohr „spiegeln“. Der Raum verwahrt jeden Ton eine kurze Weile, bis die Schallwellen auslaufen und verebben. Der diskret „mitmusizierende“, Klang und Spiel lebendig machende Nachhall erzeugt das besondere Raumflair: am besten zu hören ist die Orgel im mittleren Teil des Hauptschiffs. Das vollgespielte Werk – das Zungenensemble schiebt sich nicht vor den Mixturenklang – wirkt majestätisch-ernst und bringt die Tonmassen mit Kraft und Glanz zum Klingen, sodass es in der Festschrift zum Pfarrjubiläum (1992) heißt: „Wegen ihres prächtigen Klangs, des gewaltigen Bassfundaments und des Farbenreichtums war sie bald weithin bekannt und zog viele fremde Besucher an den Festtagen nach St. Antonius.“
Die Orgel kann so zu einer Künderin des Ostersieges und zugleich des Trostes werden, mit dem Gott sich uns zugewandt hat. Ja, „gute Orgeln überdauern die Jahrhunderte...“ Wie oft werden wir uns noch erfreuen, aufrichten und auch trösten lassen von der Vielzahl ihrer Stimmen
Karl Klinke
Hauptwerk I C-g3
1. Gedacktpommer 16’
2. Prinzipal 8’
3. Rohrgedackt 8’
4. Oktave 4’
5. Koppelflöte 4’
6. Quinte 2 2/3’
7. Flachflöte 2’
8. Mixtur 6-8fach 2'
9. Nonenkornett 5fach 4'
10. Fagott 16’
11. Spanische Trompete 8’
Positiv II
1. Metallgedackt * 8’
2. Quintade 8’
3. Prinzipal 4’
4. Rohrflöte * 4’
5. Schwiegel 2’
6. Sesquialter * 2 2/3’+ 1 3/5’
7. Septime * 1 1/7’
8. Scharff 4-5fach 1'
9. Schalmey-Oboe * 8’
Tremulant
(* schwellbar)
Rückpositiv III
1. Spitzgedackt 8’
2. Blockflöte 4’
3. Hellprinzipal 2’
4. Kleinquinte 1 1/3’
5. Glockenterz 4/5’ + 2/3’
6. Zimbel 3fach 1/2'
7. Vox humana 8’
Tremulant
Schwellwerk IV
1. Flûte harmonique 8’
2. Bourdon 8’
3. Voix céleste 8’
4. Prestant 4’
5. Flûte octaviante 4’
6. Nasard 2 2/3’
7. Flagoelett 2’
8. Tièrce 1 3/5’
9. Piccolo 1’
10. Fourniture 6fach 1 1/3'
11. Trompeta magna 16’
12. Trompette 8’
13. Clairon 4’
Tremulant
Pedalwerk C-f1
1. Großprinzipal 16’
2. Subbaß 16’
3. Zartbaß (Transm.) 16’
4. Quinte (Ext.) 10 2/3’
5. Oktavbaß 8’
6. Gedacktbaß 8’
7. Quintbaß 5 1/3’
8. Choralbaß 4’
9. Nachthorn 4’
10. Weitpfeife 2’
11. Rauschwerk 3fach
3 1/5', 2 2/7’, 1 7/9’
1. Pedalmixtur 6fach 2 2/3 '
2. Kontrafagott 32’
3. Bombarde 16’
4. Baßtrompete 8’
5. Zink 4’
Spielhilfen
Handregister,
3 freie Kombinationen,
3 feste Kombinationen, 3 Pedalkombinationen,
Einzel- und Sammelabsteller für Zungen und Mixturen,
Tutti, Pedaltutti,
Walze
10 Normalkoppeln, Koppel IV-P 4’,
Zimbelstern,
Tremulanten mit Potentiometern für Geschwindigkeit